Tag 164: Melbourne – Singapore

Mittwoch 23.11.83, Melbourne – Singapore
(Anne) Aufgestanden um mit Thomas zu frühstücken. Letzte Vorbereitungen. Die Hunde haben noch eine „prima“ Abschiedsvorstellung gegeben. Dann zum Flugplatz. Thomas getroffen, essen, Dann Abschied, kurz, doch mit Schmerzen. Die 2 Monate vergingen wie im Nu. So schnell! Im Flug Briefe geschrieben, Film gesehen. Ankunft Singapore – für Ekke nur 1 Tages Visum mir 14 Tage. Transport + Hotel, Essen alles ganz fein, ohne Extrakosten. Bisschen komische Stimmung. Irgendwie kann man es nicht begreifen, wie schnell Gegenwart zu Vergangenheit wird. Alles geht so schnell weg, nur noch Gedanken. Im Bad herumgealbert.

Anmerkung:
Das Tagebuch verschweigt einen Zwischenfall während des Fluges nach Singapur. Wir flogen nämlich mitten durch ein gewaltiges Tropengewitter und der Pilot wies die Fluggäste an, bitte unverzüglich ihre Plätze einzunehmen und sich anzuschnallen. Aber Anne musste natürlich nochmal schnell für „kleine Mädchen“. Auch die Cabin-Crew nahm ihre Plätze ein und schnallten sich an. Während sie auf der Toilette war, fiel das Flugzeug in ein „Luftloch“, so wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte. Ich selber schwebte frei in meinem Sitz, nur vom Gurt gehalten. Alles was nicht fest war flog durch die Kabine, einige Klappen der oberen Fächer öffneten sich. Und dann öffnete sich die Toiletten-Tür und Anne, etwas blass um die Nase, kam zurück. Die Cabin-Crew, war völlig entgeistert, denn sie hatten das gar nicht mitbekommen. Der restliche Flug war dann zwar noch „bambi“ aber nicht mehr so schlimm.
Unbemerkt hatten wir den Äquator wieder überquert und waren wieder auf der Nordhalbkugel angelangt. Es sollte bis 2019 dauern, bis Anne und ich wieder einmal auf der Südhalbkugel sein würden.
Und das Tagebuch schweigt sich auch über die Umstände in Singapur weitgehend aus und auch am kommenden Tag steht nichts dazu. Ich erlebte nämlich erstmals in meinem Leben Diskriminierung und habe damals mir geschworen, nie wieder einen Fuß in dieses Land zu setzen und werde mich dran halten.
Was war geschehen?
Unser Flugticket enthielt eine im Flugpreis inbegriffene Hotelübernachtung in Singapur, weil der Flug aus Australien spät ankam, aber der Weiterflug nach Hongkong erst am nächsten Morgen abging. Ich wusste, dass es damals in Singapur Vorschriften gab, die es Männern verboten, die Haare länger als über die Ohren zu tragen (hier die Details) und fragte deshalb die Angestellten von Singapore Airlines in Hongkong, ob es denn keine Schwierigkeiten geben würde. Dies wurde vehement bestritten, die Regel beträfe nur Menschen, die in Singapur leben würden, Gäste, insbesondere Fluggäste der Airline, seinen davon selbstverständlich ausgenommen.
Es sollte sich anders erweisen.
Schon bei der Einreise gab es erhebliches Theater und erst auf Intervention einer Angestellten der Airline wurde mir ein 24-Stunden Visum erteilt. Unmittelbar nach der Einreise verschwand ich aus der Wahrnehmung aller Menschen dort. Ich war buchstäblich unsichtbar. Alles wurde von Anne geregelt, sämtliche Unterschriften, die Entgegennahme des Zimmerschlüssels, des Essens, einfach alles. Bei der Rückfahrt zum, Flughafen wurden wir noch vom Taxifahrer betrogen, der den Transportgutschein der Airline nicht akzeptieren wollte.
Eigentlich gut, wenn man so etwas mal erlebt, dann weiß mal aus eigener Erfahrung, wie es anderen ihr ganzes Leben lang ergeht.

Und wie schon bei der Abreise aus Japan, wird Anne melancholisch wenn es darum geht die Gegenwart des Seins mit der faktischen Vergangenheit und und der möglichen Zukunft in Einklang zu bringen.

Ausnahmsweise zitiere ich ein Gedicht von Friedrich Schiller, welches die Waldorfschüler*innen unter uns sicherlich alle schon auf Monatsfeiern im Chor aufgesagt haben, weil es doch diese Gedanken schön zusammenfasst:

Spruch des Konfuzius

Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.

Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die Stehende bewegen.

Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die Zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die Fliehende zum Freund,
Nicht die Bleibende zum Feind.

Das Abschiedsfoto auf dem Flughafen zeigt Thomas (mit Verband am Finger, die Kreissäge wars!) und Anne und mich. Ich mit Zigarette (aus heutiger Sicht unvorstellbar) und Anne, die sich auf dem Foto unvorteilhaft abgebildet fand, Stichwort Gewicht.

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