Mittwoch 11.1.84, Kuala Lumpur
(Anne) Wieder von diesem grässlichen Wecker aufgewacht und murrend voll böser Dinge in Gedanken aufs Amt. Nach längerem Warten, Bilder abgegeben (wir waren ganz freundlich). Sollen die Pässe um 4:30 p.m. abholen. Zum Markt gelaufen und Bananen gekauft, heim gebummelt. Unsere Sachen angefangen zu ordnen und teils eingepackt, mittags Pfannkuchen. Gedanken über den Text einer Eintragung ins Complaint Book gemacht, etwas formuliert, aber irgendwie ging es nicht. Jedenfalls geredet über unser späteres Verhalten. Pünktlich dann wieder dort aufgetaucht, ganz ruhig auf alles gefasst: Tatsächlich wars natürlich noch nicht fertig und wir sollten es dann morgen um 10 Uhr (!) abholen.
Unglücklicherweise lagen aber unsere Pässe auf dem Schreibtisch – hartnäckig darauf hin gewiesen, dass wir morgen keine Zeit hätten, nun schon das 5. Mal da wären, auf unserer Quittung halb fünf Heute stehen würde etc. Irgendwie war der Typ darauf nicht vorbereitet, wollte und aber wegschicken und auf halb sechs vertrösten. Ekke meinte daraufhin, dass wir hier warten würden, darauf meinte der Obermacker es würde eine halbe Stunde dauern und wir könnten warten. Mit heimlichem Grinsen aus den Augenwinkeln zugesehen, wie der Hindu-Type mürrisch die Visa anfertigte, zwischendurch blöde unnötige Fragen stellte, die er aus unserem Pass hätte selbst sehen können.
Dann kam ein spannender Augenblick, als dieser Ober-Typ Ekke fragt ob er mit 1 Monat zufrieden wäre und Ekke es für unzulänglich erklärte, es wurde fast gehandelt und man kam auf 6 Wochen, allerdings ohne richtige Zustimmung unsererseits, sondern nur „Sie müssen es besser wissen“. Nach ein paar Minuten bekamen wir’s dann ausgehändigt, sicheres Gefühl, seinen Pass wieder zu haben. Ohne weiteren Kommentar mit freundlichem „Good bye“ abgezogen. Unseren kl. Erfolg mit Kaffee und Mee Goreng „gefeiert“. Die Leute im Restaurant schenkten uns 1 M$ weiß auch nicht warum. Weiter gepackt, etwas gespielt, gewaschen, Deutsche Welle erst im 2. Anlauf gekriegt.
Anmerkung: Der Zeitdruck war immens, immerhin waren wir für den morgigen Donnerstag auf dem Flug nach Delhi gebucht. Ohne Visum hätten wir den Flug stornieren müssen und der nächste wäre erst wieder in einer Woche gegangen.
Ob durch das häufige Wiedererzählen oder durch meine eigene Sichtweise, erinnere ich die Geschichte auf der H.C. in Nuancen anders. So sind wir nicht erst um halb fünf in der H.C. angekommen, sondern schon um 15 Uhr, um uns zu wundern, warum schon so viele Menschen das Gebäude verließen. ursächlich war, dass um 15:30, also eine Stunde vor unserem Termin, die H.C. an diesem Mittwoch geschlossen wurde. Dieses Faktum trug nicht zu meiner Beruhigung bei. Die sich daran anschließende Diskussion fand in einem Großraumbüro statt, welches neben unserem Sachbearbeiter auch noch die höheren Chargen der Botschaft beherbergte. Bei dem Hinweis „You come tomorrow ten-o-clock“ platze mir dann der Kragen. Ich zog zwei Stühle in die Raummitte, zeigte auf das Portrait von Ghandi und sagte beim hinsetzen: „You know Ghandi?“, zog mein Buch und Anne ihr Strickzeug aus der Tasche und vertieften uns in uns selbst. Gefühlt sank die Raumtemperatur auf den Gefrierpunkt, der allgemeine Feierabendaufbruch kam zum erliegen und es herrschte eine unangenehme Stille, die dann den Botschafter („Ober-Typ“) in die Geschichte brachte. Bei der Diskussion um die Dauer des Visa, zog ich mich auf die Position zurück, dass wenn Indien so unwichtig sei, dass man in drei Wochen (das war der Startpunkt) alles Wesentliche sehen würde, dann wäre Indien eben deutlich kleiner und uninteressanter als man es mir immer berichtet hätte, aber er wäre schließlich der Botschafter und würde das sicher besser wissen, als ich. Am Ende wurden es 6 Wochen (die wir nicht nutzten) mit dem Verbot nach Amritsar („Goldener Tempel“) noch nach Srinagar (Kashmir, Ladakh) zu fahren, mir war das dann fast alles egal.
Mee Goreng oder auch Mie Goreng sind gebratene Nudeln mit Gemüse-, Fisch- oder Fleischbeilage.
Die Fotos zeigen den damals aktuellen heute alten Bahnhof Kuala Lumpur, einem pittoresken Gebäude von 1910.