Samstag 10.9.83
(Anne) Um 7:30 Uhr aufgestanden um früh auf dem Flohmarkt zu sein. Endlich gefunden, war jedoch nicht! (Anm: Gemeint ist, wir hatten den Platz gefunden, aber der Flohmarkt fand nicht statt) Ziemlich enttäuscht dann Richtung Shinjuku gelaufen. Im Meiji outer Garden eine Gedenk-Bildergalerie besichtigt. Die Bilder waren nicht gerade überwältigend! Jedoch zeigten sie die Entwicklung der Verwestlichung während einer Regierungszeit (ca. 60 Jahre) sehr deutlich. Ab 1873 begann man nach ersten besuchen von Europäern von der traditionellen Kleidung zu Uniformen und Kleidern westlichen Stils überzuwechseln – sah echt schlimm aus. Danach sind wir etwas durch Shinjuku gelaufen. Unheimlich viele Menschen!!! Abends kam Yoshi und hat sich verabschiedet sowie ein Antennenkabel mitgebracht, Radio getestet und für gut befunden (Wir konnten sogar ganz klar Deutsche Welle hören!) Er und seine Familie haben uns 2 Paar Hashi mit Kasten geschenkt, echt lieb!
Anmerkung: Hashi ist die Bezeichnung für die traditionellen japanischen Essstäbchen. Mit unseren leidlich guten Fähigkeiten mit Stäbchen essen zu können und dabei keine Sauerei bzw. ein Schlachtfeld zu hinterlassen, machten wir häufig Eindruck auf die Einheimischen. Yumiko brachte uns die Feinheiten bei, z.B. Tofu mit Stäbchen aus einer Suppe zu fischen. Hiroshi dagegen die etwas gröbere Handhabung, z.B. wie man ein Schnitzel zerlegt.
Die Enttäuschung über den verpassten Flohmarkt kann man nur verstehen, wenn man weiß, dass Anne und ich permanent über Flohmärkte und durch Sperrmüll-Straßen gelaufen sind, unbewusst immer auf der Suche nach den Dingen, die unsere Eltern und Großeltern als Ausgebombte und Heimatvertriebene während und nach dem Krieg verloren hatten. Zu diesem Thema sei das Buch „Wir Kinder der Kriegskinder“ von Anne-Ev Ustorf empfohlen, die das Thema der Kriegsenkel, also der Menschen, die zwischen 1960 und 1975 geboren wurden, thematisierte.